Naturkosmetik für Hunde scheint langsam in Mode zu kommen. Ist das ein Hype? Eine Hysterie? Ausgelöst durch Berichte über gefährliche Inhaltsstoffe in den konventionellen Hundeshampoos? Oder doch ein nachhaltiger Weg, den immer mehr Hundehalter beschreiten, um der Chemieindustrie Paroli zu bieten? Auf der Suche nach Antworten habe ich Franziska Knabenreich, eine der ersten Hundefriseurinnen in Deutschland, die auf Naturkosmetik setzt.

Hundesalon „Feingemacht“ bietet Naturkosmetik und nur selten eine Schur

Hundeshampoos und Naturkosmetik

Der Haarschnitt sitzt. Bei beiden Spezies. (© Franziska Knabenreich)

Franziska Knabenreich lerne ich bei der Recherche für mein Buch „Grüner Hund“ kennen. Als ich sie telefonisch erreiche, ist sie im Urlaub, willigt aber freundlicherweise in ein Interview ein. Ich soll ihr bitte die Fragen per Whatsapp schicken. Das ist für mich eine Prämiere: Ein Interview über Kurznachrichten habe ich auch noch nie geführt. Kurze Zeit später bekomme ich zwölf Sprachnachrichten mit ihren Antworten.

Naturpflegemittel für Hunde: Geschichte einer persönlichen Entwicklung

In ihrer Vergangenheit ist Franziska Knabenreich, bekannt aus der VOX-Serie „hundkatzemaus“, eine Check-in-Agentin gewesen und betreute zwölf Jahre lang Lufthansa-Fluggäste in Frankfurt am Main. Nach einem zweijährigen Intermezzo als Besitzerin eines Wein-Restaurants wechselte die gebürtige Hallenserin die Weinkarte gegen eine Schere und betreibt seit 2015 einen eigenen Hundesalon in Eltville am Rhein. Nach dem anfänglichen Mainstream-Kurs in der Groomer-Szene hat sie ihren individuellen Weg gefunden: Die Fellkunden von „Feingemacht“ bekommen ausschließlich Naturkosmetik-Behandlungen und nur in Ausnahmefällen eine Schur. Und das aus gutem Grund.

1. Was war der Auslöser für die Berufswahl und die Gründung von „Feingemacht“?

Ich bin zu dem Beruf wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Ich habe damals einen Hundefriseur für meinen Mops gesucht, der extrem stark haarte. Es war aber kaum möglich, einen Friseur zu finden, der den ohnehin schon kurzhaarigen Hund nicht gleich noch scheren wollte. Als ich einen solchen endlich gefunden habe und dort Kundin wurde, hat mir der Pflegeansatz so gut gefallen, dass ich entschieden habe, selbst Hundefriseurin zu werden. 4,5 Jahre habe ich das nebenberuflich, zusammen mit einer Geschäftspartnerin gemacht. Als sich unsere Wege trennten und ich unerwartet eine ganz außergewöhnliche Immobilie angeboten bekam, habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt und einen eigenen Hundesalon eröffnet. Bis heute bereue ich die Entscheidung nicht.

2. Hast Du von Anfang an nur Naturkosmetik-Produkte verwendet?

Leider habe ich den großen Fehler gemacht und am Anfang einfach der Groomer-Szene gefolgt, habe also Produkte benutzt, die ich heute auf keinen Fall mehr anfassen würde. Mit der Detergenzienverordnung habe ich mich erst relativ spät beschäftigt und festgestellt, du kannst in so ein Hundeshampoo eigentlich alles reinmachen, was Du willst, ohne irgendeine Instanz zu haben, die das kontrolliert, was man dem Hund eigentlich ins Fell schmiert.

3. Warum bist Du auf Naturprodukte umgestiegen?

Hundebaden ganz ohne Chemie

Hundebaden, aber richtig (© Foto Franziska Knabenreich)

Viele Shampoos, die toll riechen, schön bunt aussehen und sich cremig anfühlen, machen auch einen guten Eindruck. Nach zwei, drei Tagen verändert sich aber das Fell. Entweder wird es ganz trocken und die Haut schupigg oder es fettet extrem. Das überschüssige Fetten kommt zustande, wenn man den Hund mit einem Shampoo wäscht, das einen zu geringeren pH-Wert hat, zum Beispiel mit einem Menschenshampoo. Ich habe sehr viele Produkte ausprobiert, wenn man sich aber näher damit beschäftigt, was drin ist, stehen einem die Haare zu Berge. Deswegen bin ich komplett auf Naturprodukte umgestiegen. Wenn man bedenkt, dass nicht nur der Hund das Shampoo im Fell und auf der Haut hat, sondern auch ich täglich damit in Berührung komme, so ist das ein Ansatz, der auch für mich persönlich sehr wichtig ist. Die Frage ist also nicht nur, ob das dem Hund gut tut, sondern auch was mit meinen eigenen Händen passiert. Viele meiner Friseurkollegen haben wunde, trockene oder aufgerissene Hände, eben durch das chemische Zeug, was sie verwenden. Nicht ohne Grund wird in der Humankosmetik zurückgerudert: Jetzt heißt es überall ganz groß „silikonfrei“ oder „parabenfrei“. Wenn das für den Menschen so bedeutend ist, warum machen so viele Hersteller die Stoffe immer noch in die Hundeshampoos? In vielen Ländern sind Parabene in der Humankosmetik bereits verboten. Ich bin der Meinung, dass auch Kosmetikprodukte für Hunde viel strenger kontrolliert werden sollen.

4. Hast Du viele Kunden mit Fell-/Hautproblemen oder hauptsächlich „Haarpracht-Monster“?

Ich habe viele Allergiker im Salon, allergisch gegen Pollen oder Futtermittel, gegen Hausstaub oder bestimmte Inhaltsstoffe in den Pflegemitteln. Zwei Hunde sind so stark allergisch, dass ihre Besitzer alles ausprobiert haben, was der Markt hergibt, inklusive Allergieshampoos vom Tierarzt. Die Hunde haben sich trotzdem wund und blutig gekratzt. Erst als ich den Kunden die Naturprodukte für sensible Hunde empfohlen habe, war der Spuk vorbei. Ansonsten neigen viele Hunde zu einem sehr fettigem Fell, was dem viel zu niedrigen pH-Wert vieler Produkte geschuldet ist. Auf dem Markt gibt es Pflegemittel, die einen so niedrigen pH-Wert haben wie Essig. Das ist ein Unding, dass so etwas produziert und verkauft werden darf.

5. Wo siehst Du das größte Verbesserungspotenzial?

Außer den falschen Produkten, die verwendet werden, gibt es auch viele Mythen, wie etwa diesen, dass Hunde nur einmal im Jahr gebadet werden sollen. Es geht aber nicht nur darum, das richtige Produkt zu wählen, sondern auch regelmäßig zu waschen. Ganz besonders die Allergiker, wo es extrem wichtig ist, dass die Allergene und die schädlichen Umweltpartikel vom Fell abgewaschen werden. Allergische Hunde kratzen sich meist intensiv. Wenn das Fell nicht sauber ist, entstehen durch das Kratzen erst kleine Risse in der Haut, dann Hot-Spots und dann kommt es zu großflächigen Entzündungen.

6. Aber ist regelmäßiges Baden nicht wieder zu viel des Guten? Was ist mit Back to basics?

Ja, der Hund stammt von Wolf ab und der Wolf hat auch keinen Friseur. Aber auch Menschen stammen von Affen und laufen mittlerweile aufrecht und pullen sich nicht mehr die Läuse vom Kopf. Wir sind also in einer ganz anderen Zivilisation angekommen, wo der Hund nicht mehr draußen im Hof oder bei der Tierherde schläft, sondern mit uns im Haus. Wir haben ganz viele Rassen, die ihrer ursprünglichen Funktion beraubt worden sind. Sie haben keine Aufgabe mehr, außer schön zu sein und uns zu begleiten. Erstens.
Und zweitens: Es gibt mittlerweile extreme Kreuzungen, Hybridhunde, die eine krasse Fellzusammensetzung und dichte Unterwolle haben. Man züchtet den Hunden immer mehr Fell an. Oder hält Hunde – wie Huskys beispielsweise, die in unseren Breitengraden nichts zu suchen haben und sie sich selbst nicht helfen können. Da ist die Pflege einfach existenziell wichtig
Und drittens: Der Hund läuft ja jeden Tag in der Auspuffhöhe, er rennt durch Felder, die gespritzt werden, und durch Wiesen, wo Pollen herumfliegen. All das steckt dann im Haar und auf der Haut. Inklusive Mikroplastik.
Wenn Du gute Pflegeprodukte hast, dann spielt es keine Rolle, wie oft Du den Hund wäschst. Denn ein gutes Shampoo wäscht den Schutzfilm ja nicht ab, sondern säubert nur die Haut und das Fell.

7. Was hältst von einer Ganzköper-Schur, gerade im Sommer?

Hundefellpflege: Keine Schur

Nur das einschichtige Hundefell, ohne Unterwolle darf geschoren werden (© Foto Franziska Knabenreich)

Es gibt nur ein Fell, was geschoren werden darf – das ist das einschichtige Fell, also ohne Unterwolle. Das wäre zum Beispiel Pudel oder Pudelmischlinge, Haveneser, Yorkshier Terrier oder Bolonka, also die Rassen, die ein längeres Fell haben, das nicht haart und wo keine Unterwolle vorhanden ist. Alles andere, was mehr als eine Fellschicht hat – zwei oder drei – darf man auf keinen Fall abscheren. Niemals. Mit einer Schur zerstört man die Fellstruktur, außerdem ist das Fell zum Schutz da: Es schützt vor Sonne, vor Hitze, vor Regen, vor Wind, vor Wasser, vor Ungeziefer. Man kann das Fell kürzen, das auf jeden Fall, wichtig ist aber, dass die Unterwolle und der Filz, wenn vorhanden, entfernt werden. Dann kann – und soll – der Hund sein Haarkleid behalten. Das Abscheren bringt dem Hund keine Abhilfe bei hohen Temperaturen, die Unterwolle bleibt in der Haut stecken, nur dass sie kürzer wird. Wenn man den Hund auf drei Millimeter abrasiert, hat er überhaupt keinen Schutz mehr.

8. Wo gibt es in Deinem Alltag sonst noch Defizite?

Der Hundefriseur ist leider kein anerkannter Beruf, es gibt in Deutschland keine Ausbildung dafür. Es gibt lediglich Hundefriseurschulen, wo man einen vierwöchigen Wochen Kurs buchen kann. Danach kaufst du dir eine Schermaschine und kannst alles abscheren, was bei drei nicht auf dem Baum war. Und das kontrolliert niemand. Auch ganz viele Tierärzte raten zum Abscheren, wenn die Hunde beispielsweise Hot-spots haben. Bei den Hot-Spots ist es aber ganz wichtig, dass die Unterwolle rauskommt und die Haut frei atmen kann. Abscheren bringt überhaupt nichts.